Nur sieben Tabellenplätze von der 2. Bundesliga entfernt

Nur sieben Tabellenplätze von der 2. Bundesliga entfernt
Bremer SV 1990/91 - Foto: unbekannt

Im Sommer 1989, während eines Umbruchs, übernahm der damalige Trainer Michael Pohl das Ruder. Inmitten dieser Veränderungen erinnert sich Pohl an eine wegweisende Entscheidung: die Annahme des Angebots, die 1. Herrenmannschaft des BSV in der Amateuroberliga Nord zu trainieren. Ein Schritt, der nicht nur die Weichen für eine spannende Saison stellte, sondern auch Erinnerungen an bemerkenswerte Siege und unvergessliche Trainingslager weckt.

Ich hatte im Sommer 1989 gerade beim Verbandsligisten TSV Lesum-Burgdamm den Trainerposten in Nachfolge des legendären Egon van Koll übernommen, da meldete sich der Bremer SV, ob ich mir vorstellen könnte die 1. Herrenmannschaft des BSV in der Amateuroberliga Nord zu trainieren. Die Liga war die heutige 3. Bundesliga. Was für ein Angebot! Unter Coach „Charly“ Braun war die BSV-Truppe weit abgeschlagen auf dem letzten Tabellenplatz gelandet. Ich traf mich dann spontan mit dem 1. Vorsitzenden Wilfried Käuper und seinem Vorstandskollegen Horst Hubach in einem Café an der Wartburgstrasse. Wir wurden uns schnell einig.
Käuper eiste mich aus dem Lesumer Vertrag raus und zur Vorbereitung auf das nächste Spiel bei Altona 93 blieben mir drei oder vier Tage. 

Michael Pohl

v pohl
Trainer
So fuhren wir also mit dem Bus, 16 Spielern (Durchschnittsalter 23), einigen Verletzten und dem Betreuerteam am Donnerstag, dem 26. Oktober 1989 nach Hamburg-Altona. Es goss in Strömen, das Flutlicht miserabel, der Ball blieb öfter in den Pfützen liegen.
Die BILD-Zeitung hatte mich am Tag zuvor gefragt: „Herr Pohl, wie wollen Sie den BSV in dieser schier aussichtslosen Situation retten?“ Ich habe geantwortet: Mit Kampf, Leidenschaft und viel Arbeit. Beim BSV wird Fußball gearbeitet – aber nicht erst seit Herbst 89. Unser 2. Torwart Michael Dähne musste ins Tor. Sein Sohn steht heute im Kasten der SG Aumund-Vegesack. Michael machte das Spiel seines Lebens. Im Mittelfeld kämpften Spieler wie Ralph Brockmann, Torsten Plikat oder Thomas Wick um dasselbige. Andreas Laesch ordnete die Abwehrkette. Wir kamen beim Tabellenfünften wohl zweimal über die Mittellinie und schossen zwei Tore. Beide von Torsten Mania, unserem Aggressiv-Leader. Torsten hatte bis dato noch nie zwei Tore in einem Spiel erzielt. Altona traf nur ein Mal. 2:1-Auswärtssieg bei Altona! Ich war gleichzeitig im A-Lizenz-Lehrgang beim DFB. Mein Zimmernachbar in der Sportschule Barsinghausen war Manfred Lorenz, Coach vom Altona. Auf der Pressekonferenz sagte er: „Dir gebe ich nicht die Hand“. Spaß. Unser Betreuer Uwe Pottschmidt hatte Tränen in den Augen. Betreuer Heinz Demuth teilte auf der feuchtfröhlichen Rückfahrt seine berühmten, selbst gemachten Burger aus und auch Masseur Jimmy Becker gönnte sich das eine oder andere Pils.
Die Mannschaft entwickelte sich weiter. Im März 1991 standen wir auf Platz 8 (34:34 Punkte), nur sieben Tabellenplätze von der 2. Bundesliga entfernt. Das Top-Team der Liga war der VfL Wolfsburg, trainiert von einem gewissen Horst Hrubesch. Im September 1990 schafften wir gegen die Wölfe zu Hause ein respektables 2:2. In der Torschützentabelle lag Claus Wachaczewsky mit Arie van Lent von Werder Bremen auf Rang drei. Der Zuschauerschnitt am Panzenberg lag bei 510. Im April 1991 trat Wilfried Käuper vom Posten des 1. Vorsitzenden zurück. Und am 9. Mai 1991 bezwangen wir die Werder-Amateure mit Trainer Kalli Kamp 9:8 nach Elfmeterschießen im Roland-Pokal-Finale. In der ersten DFB-Pokal-Hauptrunde wurde uns Fortuna Köln zugelost. Zur Vorbereitung auf den Pokalfight kreuzte Uwe Reinders 14 Tage vorher mit Hansa Rostock am Panzenberg auf. 2000 Fans waren dabei.
Ein paar Worte noch zum Thema Trainingslager. Anfang 1990 bezogen wir Quartier in Ankum bei Osnabrück. Die Unterkunft bescheiden und bei schlechtem Wetter ließ ich die Spieler in der anliegenden Reithalle laufen.
Ablaufplan Trainingslager Schweiz
Ablaufplan Trainingslager Schweiz

Aber an e i n Trainingslager werde ich mich wohl mein Leben lang erinnern. Es fand statt im Kur- und Ferienort Laax in der Schweiz. Laax – eine der nobelsten Gegenden. Ermöglicht wurde es von einer Sponsorengruppe, die die berühmt-berüchtigten „Kaffeefahrten“ organisierten. Einer der Gönner wurde sogar per Hubschrauber eingeflogen. Am 15. Juli 1991 fuhren wir also abends um 22 Uhr vom BSV-Vereinsheim an der Vegesacker Straße mit dem Bus in die Schweiz. Am anderen Tag mittags um 12 kamen wir im 4 Sterne-Nobel-Hotel (mit Türkischem Bad) an. 1. Training um 15 Uhr.  Mittwoch, 17.7.: 7 Uhr Wecken und Waldlauf. 8 Uhr Frühstück. 10 Uhr Training. Mittagessen und Massage. Am Nachmittag dann die Sensation: River-Rafting auf dem Rhein. 17 Kilometer lang strammes Paddeln im Schlauchboot mit acht Mann. Ein einzigartiges Erlebnis! Nach dem Abendessen Testspiel um 20 Uhr gegen den FC Laax, 9: 0 für uns. Donnerstag: Training, Grillen am Gletschersee. Freitag: Zugfahrt nach St. Moritz mit dem Glacier-Express, Taktikschulung. Sonnabend: Test gegen FC Altstetten (4:2). Mit dabei in Laax – so erinnere ich es jedenfalls – waren auch Mitglieder unseres BSV-Freundeskreises, wie Fred Heise, Hein Bering oder Heiko Schilling.