Ein letztes Mal in der ersten Liga, für die Bundesliga nicht qualifiziert. Ein wenig zweite Liga und ganz viel Tristesse in der Amateurliga Bremen. Dafür ein schickes neues Stadion, den Panzenberg. Es war also nicht alles schlecht in den 60er Jahren.
Das neue Jahrzehnt begann für unseren Bremer SV sehr verheißungsvoll.
In fast schon gewohnt souveräner Manier marschierte die Elf aus Walle durch die Amateurliga Bremen, wurde 1960/61 zum dritten Mal in fünf Jahren Bremer Meister und klopfte damit auch erneut ans Tor zur Oberliga.
Nur drei Niederlagen erlaubte sich unsere Mannschaft, bei 23 Erfolgen in 28 Partien. Eine wahrlich stolze Bilanz, an die der wichtigste Verfolger, die Werder Amateure mal wieder, nicht herankamen und mit sechs Zählern Rückstand lediglich Vizemeister wurden.
Nun also mal wieder die allseits beliebten Aufstiegsrunden. Es hatte schon immer etwas Besonderes, wenn wenigstens in diesen Qualifikationen mal über den Bremer Tellerrand hinwegsehen und sich mit Mannschaften aus anderen Regionen Norddeutschlands gemessen werden konnte. In den Jahren zuvor war der BSV bekanntlich oft gescheitert. Unsere Blau-Weißen hatten nicht enttäuscht und streckten lange die Fühler nach dem großen Fußball aus. Doch geklappt hatte es am Ende nie.
Dieses Mal allerdings lief alles nach Plan. Zunächst jedenfalls.
Am 28. Mai 1961 bejubelten 7.000 Zuschauer einen 6:2-Triumph über Schleswig 06. Auch die weiteren Partien gegen den Hamburger Vertreter Harburger TB sowie den Niedersachsen-Meister Arminia Hannover sahen gut aus. Fünf Spiele – fünf Siege. Das war die famose Bilanz vor dem letzten Spieltag der Relegation. Das Tor zur Oberliga stand weit offen.
Dann kam der letzte Spieltag und der Bremer SV sah gegen den direkten Konkurrenten Arminia Hannover kein Land und ging mit 1:5 unter.
Mit 10:2 Punkten wurde der BSV schließlich Zweiter seiner Gruppe. Hinter den punktgleichen Arminen vom Bischofsholer Damm. Nun war damals aber eben nicht das Torverhältnis bei Punktgleichheit entscheidend und auch nicht der direkte Vergleich.
Nein, die Regel war, dass in einem Entscheidungsspiel auf neutralem Platz der Aufsteiger ermittelt werden musste!
Am 11. Juni 1961 war es so weit. Im Stadion am Millerntor in Hamburg, der Heimat des FC St. Pauli, standen sich die beiden dominierenden Mannschaften der Aufstiegsrunde ein drittes Mal gegenüber.
Vor 13.000 begeisterten Anhängern am Hamburger Millerntor führten die zunächst überlegenen Arminen bis zur 57. Minute verdient mit 1:0. Doch dann platzte plötzlich der Knoten bei den Bremern. Die Zuschauer erlebten ein völlig anderes Spiel in der zweiten Hälfte. Wie Nadelstiche kamen die schwungvoll vorgetragenen Angriffe über die Flügel. So fiel unter gütiger Mithilfe des Arminia Torwarts Skutek in der 57. Minute der Ausgleich.
Die „Bremer Nachrichten“ schrieben am Tag danach:
„Wie der BSV den Schock der Arminen nach dem 1:1 nutzten, wie sie ‚am Mann‘ blieben und den angeschlagenen Gegner bestürmten, um ihm dann die entscheidenden Schläge zu versetzen, das war ungeheuer eindrucksvoll! Fassungslos sahen die mit Sonderzug, Omnibussen und ungezählten Autos gen Norden geströmten Hannoveraner ihr Arminen auseinanderfallen – und kaum weniger erstaunt erlebten die zahlenmäßig viel schwächeren Bremer Schlachtenbummler die Verwandlung ihrer Mannschaft von einer ausgespielten, sich aber verzweifelt wehrenden Elf in eine geschlossene Einheit von enormer Kraft und beinahe unwiderstehlicher Dynamik. Sie verfügte über weniger Einzelkönner, über weniger Trickreichtum und über weniger Spielkunst, aber sie hatte andere starke Waffen: körperliche und moralische Kraft, Sinn für Zweckmäßigkeit und eine Entschlossenheit, die vorhandene Möglichkeiten nicht lange anstehen ließ, sondern beim Schopfe nahm!“
Keine sechs Minuten nach dem Ausgleich durch Bolz patzte der Torwart der Hannoveraner ein weiteres Mal, als er Dobats harten Schuss durch die Beine trudeln ließ. Die Arminia war da praktisch schon besiegt, denn von diesem Schock erholte sie sich nicht mehr. Jeweils ein weiterer Treffer von Bolz und Dobat bescherten dem Bremer SV in diesem entscheidenden Match einen nie vermuteten 4:1 Sieg, der endlich wieder den Aufstieg in die höchste Spielklasse, in die Oberliga Nord bedeutete!
Was war das für ein Jubel! Nicht nur in Walle, sondern in ganz Bremen! Endlich hatte es der ehrwürdige BSV wieder in die höchste Liga geschafft!
Doch leider war die Oberliga nicht mehr die Welt des BSV. Zu professionell war alles geworden. Amateure hatten keine Chance mehr. Die neue bundesweite Profiliga - die Bundesliga - stand bereits in den Startlöchern. In dieser neuen Liga würden den Spielern Gehälter gezahlt, sodass sie sich voll und ganz aufs Fußballspielen würden konzentrieren können. In vielen Vereinen war das jetzt schon so. Da konnte der kleine Bremer SV natürlich kaum mithalten.
So dauerte das Gastspiel in der Oberliga Nord nur ein Jahr. Zu Hause, im Weserstadion, in das natürlich zurückgekehrt werden musste, gab es zwar relativ wenig Punkte, dafür aber oftmals nur ganz knappe Niederlagen. Der HSV musste beim 2:3 ebenso kämpfen wie der SV Werder, der mit dem gleichen Ergebnis gewann. Eintracht Braunschweig (2:1), der VfR Neumünster (2:0) und Altona 93 (1:0) verloren sogar gegen unsere Mannschaft.
Doch gute Spiele mit passablen, aber erfolglosen Ergebnissen reichten eben nicht zum Klassenerhalt. Zumal auswärts gar nichts ging. 55 Gegentore in 15 Spielen auf des Gegners Platz mit teilweise desaströsen Niederlagen (0:8 beim HSV, 0:5 bei Werder und dem FC St. Pauli, 1:6 in Kiel, 0:6 in Oldenburg) sprachen klar und deutlich gegen unsere Mannschaft. Am Ende landete unser Verein auf dem vorletzten Platz, mit fünf Punkten Rückstand auf das rettende Ufer.
Es rief mal wieder die Niederung der Amateurliga Bremen.
In den folgenden Jahren dümpelte der BSV zwar nicht nur in der Amateurliga herum, doch im Vorfeld der Einführung der Bundesliga waren andere trotzdem stärker.
Der AGSV zum Beispiel. Die Nachbarn aus Gröpelingen wurden 1962/63 mit drei Punkten Vorsprung vor den Werder Amateuren Meister. Auf die gleiche Punktzahl wie Werder kam auch der BSV, doch das Torverhältnis reichte nur zum dritten Platz.
Das wiederholte sich ein Jahr später, als diesmal der Blumenthaler SV die Konkurrenz düpierte und mit drei Zählern Vorsprung auf die Werder Amateure durchs Ziel kam. Auch da blieb dem BSV nur der dritte Platz. Aber Grund zur Freude gab es trotzdem.
Am 08. August 1963 feierte der BSV endlich seine Premiere im Stadion am Panzenberg. Bis heute die geliebte Heimat unseres Vereins!
Was lange währte wurde endlich gut.
Der BSV war zwar seit der Enteignung des Platzes auf der Bürgerweise nicht heimatlos gewesen. Aber der Schlackeplatz an der Dedesdorfer Straße genügte den Ansprüchen von höherem Fußball nicht. Ein Rasenplatz musste es da schon sein. Der zeitweilige Umzug ins große Weserstadion musste hingenommen werden, war aber selten beliebt. Nun endlich hatten sich die Stadtväter nach langem Ringen entschlossen, den Anträgen des BSV stattzugeben. Es entstand ein schmuckes kleines Fußballstadion am Doventor mit Tribünen und Rasenplatz.
Anfangs musste das Stadion noch mit dem TV von 1875 Bremen und dem TV Doventor geteilt werden. Das Stadion hatte noch keine Überdachung, außerdem musste ständig der Rasen geschont werden. Trotzdem war es ein Stadion, das bald nur dem BSV gehörte, da die beiden anderen Vereine keine Fußballabteilung hatten.
Dann war es so weit.
Nein, der BSV kehrte nicht zurück in die Oberliga. Nein, die Bundesliga wurde eingeführt. Und mit ihr als Unterbau die Regionalligen.
Das hatte weitreichende Konsequenzen für viele Amateurvereine, wie den BSV. Dem blieb als Amateurligist plötzlich nur noch die Drittklassigkeit.
Während der dem BSV jetzt meilenweit enteilte SV Werder im zweiten Bundesliga-Jahr überraschend Deutscher Meister wurde, schaffte der BSV unter Mithilfe des späteren Werder-Profis Werner Weist tatsächlich wieder die Bremer Meisterschaft.
Ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem Blumenthaler SV entschieden die Blau-Weißen schließlich mit knappen zwei Punkten Vorsprung für sich.
Alles fieberte also mal wieder der beliebten Aufstiegsrunde entgegen. Nur, dass es in diesem Jahr lediglich um die Zweite Liga, die Regionalliga ging.
Und die Mannschaft enttäuschte sie nicht!
Der Aufstieg gelang, die Konkurrenz Union Salzgitter, Heider SV und Sperber Hamburg machte lange Gesichter. Anders als drei Jahre zuvor war es allerdings auch kein wirklich spektakulärer Aufstieg, denn überzeugend verlief die Runde nicht. Drei Siege und zwei Niederlagen reichen normalerweise nicht für einen Aufstiegsplatz. Die anderen Mannschaften waren eben noch einen Tick inkonstanter.
Mit dem Aufstieg in die Regionalliga Nord wurde schon wieder die Sportplatzfrage akut. Das kleine, neue Stadion am Panzenberg bot wenig Komfort für die zweithöchste Spielklasse.
Deshalb wurden alsbald wieder die Überlegungen aus der Schublade geholt und auf die historischen Zustände aus den 50er Jahren verwiesen, als sich Werder und der BSV das Weserstadion geteilt hatten.
Diesmal waren die Grün-Weißen von der möglichen Nachbarschaftshilfe wenig begeistert. Der SVW war Deutscher Meister geworden, freute sich auf Europa im eigenen Stadion und fürchtete durch die Doppelbelastung mit dem BSV um den Zustand des Rasens.
Nach einigem Hin und Her einigte man sich schließlich darauf, dass der BSV zunächst mit dem mangelnden Komfort am Panzenberg leben würde, dafür aber in den folgenden Jahren eine überdachte Tribüne bekommen würde, die dann auch Regionalliga Ansprüchen genügen sollte.
Ob sich das ganze Brimborium lohnen würde?
Im ersten Regionalliga-Jahr jedenfalls pilgerten gerade mal 1.800 Anhänger im Schnitt an den Panzenberg. Die Schere war auseinandergegangen. Der Klassenunterschied zum führenden SV Werder war denn doch zu groß geworden, die Gunst der Fans verständlicherweise an den Bundesligisten gegangen.
Immerhin konnte der Bremer SV in jenem Jahr die „2. Liga“ halten und wurde in der siebzehn Mannschaften umfassenden Regionalliga letztlich Dreizehnter.
Der sportliche und damit auch finanzielle Unterschied zu den Großvereinen war inzwischen immens geworden. Fußballfreunde und Sponsoren scharten sich selbstverständlich um das Bremer Aushängeschild SV Werder. Für den kleinen BSV blieb nicht mehr viel übrig. Die Finanzsituation wurde sogar so eklatant, dass im folgenden Jahr 1966/67 ein Heimspiel im NFV-Pokal gegen Concordia Hamburg verkauft wurde, um ein paar Mark zu verdienen. Sportlich brachte dieser Coup rein gar nichts. Der BSV schied mit 1:5 sang- und klanglos aus.
Auch in der Regionalliga lief es in jenem Jahr alles andere als rund. Einzig Torjäger Uwe Westphal ragte aus einer ansonsten schwachen Mannschaft heraus, die am Ende die Klasse nicht hatte und nicht halten konnte. 21 Niederlagen, sechs Punkte Abstand nach oben und die meisten Gegentore aller Teams brachte damit den letzten Platz ein. Der BSV verabschiedete sich für sieben schwere Jahre in die Amateurliga Bremen.
Wieder einmal musste ein Neuaufbau betrieben werden. Das gestaltete sich aber schwerer als erwartet. Von Meisterschaft und Wiederaufstieg konnte zunächst nicht einmal in Ansätzen geträumt werden. Das Jahr 1967/68 erlebte einen höchst durchschnittlichen BSV in der dritten Liga, der Amateurliga Bremen. Platz acht, mit negativem Punktekonto, weitab von Gut und Böse, im Niemandsland der Tabelle passte nun so gar nicht zum BSV.
Die Sechziger Jahre klangen wieder mit einem Schritt nach unten aus. Platz neun nur, wieder dieses negative Punktekonto, elf Niederlagen. Viel zu viele. Ganz oben standen andere: Der Polizei SV wurde Meister, TuS Eintracht und der Blumenthaler SV landeten auf den folgenden Plätzen.
Sportlich gehörte der BSV jetzt nicht mehr zu den Großen. Nicht einmal in Bremen. Selbst zu Hause war unser Verein, der vor gar nicht so langer Zeit noch mit dem SV Werder um die Vorherrschaft in Bremen kämpfte, nur noch ein Amateurverein unter vielen.