1933 bis 1945

Der Bremer SV im Nationalsozialismus

Vereinslokal Michaeli Hallen von 1920 bis 1934
Vereinslokal Michaeli Hallen von 1920 bis 1934 - Aus dem Buch Blau-weiße Kicker aus dem Westen

Im Zuge der nationalsozialistischen Machtübertragung wandelt sich der Bremer Sport-Verein 1933 grundlegend und richtet sich nach den autoritären Strukturen des neuen Regimes aus.

Kurz nach der Einführung des Führerprinzips in Deutschland wählte der Bremer Sport-Verein in einer Mitgliederversammlung ihren damaligen ersten Vorsitzenden zum Führer des Vereins. Dieses Führerprinzip, ein fundamentales Element der nationalsozialistischen Ideologie, wurde 1933 in den Strukturen der deutschen Vereine implementiert. Es vertritt die Idee einer absoluten Hierarchie und der Führung durch einen einzigen Führer. Der BSV vollzog diese Transformation am 15. Mai 1933, als Carl H. Becker in einer einstimmigen Wahl vom ersten Vorsitzenden zum Führer des Vereins ernannt wurde.

Nach der erfolgten Gleichschaltung hat der Vereinsführer folgende Mitarbeiter ernannt: Vereinsführer: Carl H. Becker (NSDAP); Stellvertr. Vereinsführer: Georg Müller (Kreisleiter der NSBO); Finanzwart: Karl Klindworth (NSDAP); Schriftwart: Friedrich Meyer; Obmann für Fußball: Karl Klindworth (NSDAP); Stellvertreter für Jugend: Walter Rothbart; Obmann für Rechtsfragen: Carl H. Becker (NSDAP); Obmann für Leichtathletik: Rudolf Zimmermann (NSDAP); Obmann für die Stadttheater-Abteilung: Heinrich Rahmer (NSDAP); Obmann für die Sportabteilung:Rudolf Rose; Obmann für den Sportplatz: Johann Brandt; Obmann für die Kreise: Heinz Henze (NSDAP).

Quelle: Bremer Zeitung vom 24.05.1933 (die parteiamtliche Tageszeitung der Nationalsozialisten in Bremen)

Auch in unseren Vereinszeitungen, die ab dem 1.10.1933 monatlich erschienen, zeigte sich die tiefe Verschränkung mit dem Nazi-Regime und der Zustimmung zur rassistischen, antisemitischen Ideologie.

Zitat aus unserer Vereinszeitung vom 1.10.1933 

„Euch allen mit Tat und Wort anzufeuern, im neuen deutschen Vaterlande nur eine einzige Aufgabe zu erfüllen:

Deutsche Volksgemeinschaft zu pflegen und zu erhalten.

Meine Mitarbeiter werden mir getreuliche Helfer sein und nichts, aber auch garnichts, wird uns abhalten können, die Ideen unseres Führers, des Volkskanzlers Adolf Hitler, in die Masse hineinzutragen.“

...

"Manches hat sich seit dem Erscheinen der letzten Zeitung in unserem deutschen Vaterlande und damit auch in unserer Sport­bewegung gewandelt. Wie ein leuchtendes Fanal wird in der Geschichte des deutschen Volkes der 30.Januar 1933 weiter glänzen, der Tag, an dem der Vater des Volkes, der greise Reichspräsident von Hindenburg, den Führer der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiter-Partei, Adolf Hitler, mit der Führung der deutschen Politik beauftragte. Und als dann in wenigen Wochen die nationalsozialistische Revolution, die das Wunderbarste war, was die Weltgeschichte je gesehen, da sie auf völlig legalem Wege vor sich ging, durch die deutschen Lande brauste, und alles Morsche und Faule beiseite räumte, da zeigte es sich, daß das deutsche Volk begann, sich wieder auf sich selbst zu besinnen, zu sein ein einig Volk von Brüdern.“

Umzug nach Walle

Im Jahr 1933, als die Nationalsozialisten die Arbeitersportbewegung verboten, wurde mit der Zwangsvereinigung mit dem „Allgemeinen Arbeiter-Turnverein der westlichen Vorstadt“  auch der bekannte Sportplatz an der Dedesdorfer Straße und der dazugehörigen Einrichtungen an der Wartburgstraße dem BSV übereignet. Bald darauf folgte eine weitere Maßnahme der Nationalsozialisten: Sie konfiszierten das gesamte Gelände der Bürgerweide, um es für Aufmärsche und Paraden zu nutzen, was nicht nur den BSV, sondern auch andere lokale Vereine betraf und dazu führte, dass der BSV in seinen ursprünglichen Stadtteil Walle zurückverlegt wurde. Im Jahr 1936 erfolgte dann die offizielle Übergabe des "Sportplatzes im Westen" an den BSV, welche mit einem Eröffnungsspiel gegen Werder Bremen gefeiert wurde.

Die 30. Jahresfeier

Die Bremer Zeitung berichtete über das 30-jährige Jubiläum des Bremer Sport-Vereins, welches von der Anpassung des Vereins an das nationalsozialistische Regime zeugte. Die Feierlichkeiten, die im „Bremer Haus“ des Zillmerstraßenhains stattfanden, waren geprägt von der Präsenz von Vertretern der NSDAP, der Regierung und der Sportbehörden, was die Gleichschaltung des Sports unter dem nationalsozialistischen System unterstrich.

Die Zeitung zitierte den ersten Vorsitzenden des BSV, der betonte, dass die Vereinsaktivitäten darauf ausgerichtet seien, „die Jugend für den Sport zu begeistern“ und sie auf einen „Kurs“ zu lenken, der den Idealen des nationalsozialistischen Staates entsprach.

In den Vorträgen wurde auch bemerkt, den „von [Adolf Hitler] gewiesenen Weg zu gehen“. Dies unterstreicht, wie der Verein dazu beitrug, die Ideologie des Nationalsozialismus zu verbreiten und zu festigen. 

Quelle: Bremer Zeitung vom 38.08.1936

 

Bremer SV Vorstand 1936
Bremer SV Vorstand 1936 - Chronik 50 Jahre Buch Bremer SV

Diese Verflechtung von Sport und Politik wird auch durch das Vorwort zur Jubiläumsschrift "30 Jahre Bremer Sportverein" verdeutlicht, das Carl H. Becker 1936 verfasste. Hier verbindet Carl H. Becker die Ideale des Sports mit der politischen Agenda des nationalsozialistischen Deutschlands. 

Becker stellte dar, wie der BSV die Bemühungen des nationalsozialistischen Staates unterstützte, Sport als Mittel der staatlichen Propaganda zu nutzen, insbesondere im Hinblick auf die Olympischen Spiele von 1936. Diese Spiele waren für das Regime von besonderer Bedeutung, da sie die Möglichkeit boten, sich der Welt als friedliebendes Land darzustellen, was angesichts der Boykottdrohungen von Seiten der USA und anderer Nationen eine notwendige Fassade war. Becker betont, dass "der Sport heute durch unseren Führer Adolf Hitler und seine Mitarbeitern Geschmückt zum deutschen Volkes gebracht" wurde, was die tiefgreifende Integration des Sports in die nationalsozialistische Ideologie verdeutlicht.

Das Zitat und die Betonung Beckers auf die Weiterführung des vom Führer vorgegebenen Weges zeigen, wie der Bremer Sportverein sich nicht nur an die äußeren Erwartungen des nationalsozialistischen Systems anpasste, sondern auch aktiv an dessen ideologischen Zielen mitwirkte. Die Verbindung von sportlicher Betätigung und Treue zum nationalsozialistischen Deutschland macht deutlich, dass der BSV eine komplette Gleichschaltung vollzogen hatte.

Die sportliche Lage des Bremer SV

In der sportlichen Entwicklung des BSV während der 1930er-Jahre spiegeln sich die Herausforderungen einer sich wandelnden Fußballlandschaft wider. Der BSV, gemeinsam mit dem SV Werder und dem VfB Komet, fand sich in der Gauliga Niedersachsen wieder – einer Liga, die durch ihre hochkarätigen Spieler und Mannschaften bekannt war. Diese Konstellation erwies sich als nachteilig für die Entwicklung des BSV, insbesondere da andere Vereine begannen, finanzielle Ressourcen zu nutzen, um Spitzenspieler aus ganz Deutschland zu rekrutieren. Mit eingeschränkten Mitteln konnte der BSV in diesem Umfeld nicht konkurrieren und musste sich daher auf die Förderung von Nachwuchs und Jugend konzentrieren. Der Verein kämpfte um Wettbewerbsfähigkeit und erreichte in der Saison 1933/34 lediglich einen hart umkämpften Mittelfeldplatz. Trotz der sportlichen Rückschläge zeigte der BSV Stärke und wurde 1938/39 überraschend Bezirksklassenmeister. Allerdings blieb der Aufstieg in die Gauliga trotz anfänglicher Erfolge in der Aufstiegsrunde aus. Durch den Beginn des Zweiten Weltkriegs und den Rückzug der Bückeburger Jäger, einer aus Soldaten bestehenden Mannschaft, gelang dem BSV den Weg zurück in die Gauliga.

Unsere Recherche zur Geschichte des Bremer SV während des Nationalsozialismus ist noch nicht abgeschlossen. Wir verstehen diesen Prozess als eine fortlaufende Aufgabe, bei der jedes neue Puzzlestück dazu beitragen kann, ein klareres Bild der Vergangenheit zu schaffen. Wir sind daher für jegliche Hinweise, Dokumente oder Zeugnisse, die neue Erkenntnisse in diese Epoche unserer Vereinsgeschichte bringen könnten, außerordentlich dankbar. Unser Wissen basiert maßgeblich auf der Digitalisierung der Bremischen Zeitung, sowie auf unseren Vereinschroniken. Diese Quellen waren unerlässlich, um die Ereignisse jener Zeit zu rekonstruieren.